van Everdingen, E.: Gibt es stationäre glaziale Antizyklonen?
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Faktors darf nur nicht übertrieben werden gegenüber den Vorgängen in höheren
Luftschichten, deren Dichteänderungen im allgemeinen eine viel größere Kor-
relation zu den Druckänderungen an der Oberfläche zeigen, und deren Bedeutung
von Simpson!) und Barkow*) hervorgehoben wurde. Und wenn man die Arbeit
der Schwerkraft beim Senken der erkälteten Luftmassen als Energiequelle her-
vorhebt, so soll man nicht versäumen, der gewaltigen Reibungsarbeit zu gedenken,
welche bei dem horizontalen Transport über tausendfach größere Distanzen ver-
braucht wird.
Ein Hauptbedenken gegen die Theorie der stationären glazialen Antizyklonen
wird schließlich von der Überlegung geliefert, daß die Erhaltung der Eisbedeckung
unter einer solchen Antizyklone physikalisch unmöglich ist. Die Behauptung,
welche Hobbs noch 1921% gemacht hat, daß der Eisgehalt der Zirruswolken
aine ausreichende Quelle für die Ernährung des Landeises sein sollte, wird jeder
Meteorologe zurückweisen mit der Bemerkung, daß der Eisgehalt einer solchen
Wolke nur einen kleinen Bruchteil seines Gehalts an Wasserdampf bildet, und
daß tatsächlich eine geringe Senkung der Luftmasse genügt, diesen Eisgehalt
vollständig verdampfen zu lassen und so einfach eine gesättigte Luftmasse von
sehr niedriger Temperatur zu liefern,
Berechnet man die gesamte Niederschlagsmenge, die aus einem Niveau von
i km Höhe überhaupt herunterkommen könnte, unter Berücksichtigung der mitt-
leren Windgeschwindigkeit im Umkreis des antarktischen Kontinents, so findet man
stwa 30 mm. Nur ein Bruchteil dieser Menge kann aber tatsächlich ausgeschieden
werden. Barkow findet nur 6 mm im Jahre, Das ist schon recht gering gegen-
über dem zur Erhaltung der Eisdecke von Meinardus für notwendig gehaltenen
Niederschlag von 40 mm. Viel schlimmer noch steht es bei Grönland, wo
De Quervain bei dem im Mittel viel steileren Abfall des Landeises 400 mm
Niederschlag für erforderlich hält,
in der Theorie der stationären glazialen Antizyklone ist auch im zyklonalen
Oberteil eine absteigende Bewegung vorherrschend, Kondensation durch aufsteigende
Bewegung also ausgeschlossen; auch wenn man, bei anderer Auffassung, über der
Antizyklone in wenigen Kilometern Höhe mit Meinardus oder Barkow Teil-
depressionen vorüberziehen läßt, herrscht dort gleichwohl eine so niedrige Tem-
peratur, daß größere Niederschläge nicht zustande kommen können.
Der einzige Ausweg scheint mir, gerade die Veränderlichkeit der Lage der
polaren Antizyklone, welche uns die Beobachtungen unzweifelhaft zeigen, zur
Erklärung der Niederschlagsverhältnisse heranzuziehen. Zu den Zeiten, in denen
die ganze Antizyklone verdrängt ist, kann Luft vom Meeresniveau bei relativ
hoher Temperatur das ganze Landmassiv überdecken und beim Ansteigen an
Abhängen schon Niederschlag fallen lassen. Kehrt dann der antizyklonale Zu-
stand zurück unter dem Einfluß oberer Luftströmungen, so wird die zyklonale
Luft an Ort und Stelle abkühlen und ihren Dampfgehalt fast ganz zur Konden-
sation bringen. Ein Zurückfließen dieser Luft beim geänderten Gradienten wird
jedenfalls nur einen Bruchteil des Wasserdampfes entfernen, weil unter anti-
zyklonalen Verhältnissen die Geschwindigkeit auch im Verhältnis zum Gra-
dienten geringer ausfällt und die entfließende Luft schon in ihrer Temperatur
erniedrigt ist. Es wäre interessant, das Material der Beobachtungen, das uns die
neuen Expeditionen versprechen, zum Studium der Luftbahnen an der Erdober-
fläche im Sinne Shaws und Lempferts zu verwenden; eine quantitative Be-
rechnung könnte dann diese qualitative Betrachtung ersetzen,
Zum Schluß sei die Bemerkung gestattet, daß auch bei der Anwendung klima-
tologischer Betrachtungen auf die geologische Vergangenheit es mir nicht ge-
nügend begründet erscheint, die ständige Überlagerung der vergletscherten
Erdteile durch Antizyklonen als unanfechtbare Annahme vorauszusetzen, wenn
auch einer Förderung antizyklonaler Zustände durch Eisbedeckung nicht wider-
sprochen werden soll.
1) British Antaretic Expedition, Meteorology, Vol. I, Chapter VI, — ?%) Abhandl, Preuß. Met.
Institut, 7, Nr. 6, S. 1532. — 91. c. 8. 40.