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Köppen-Heft der Annalen der Hydrographie usw. 1926.
Die Austauschgröße der atmosphärischen und ozeanischen Zirkulation.
Von A, Defanut, Innsbruck,
Die allgemeine Zirkulation der Atmosphäre ist eine thermodynamische Ma-
schine, die durch Wärmezufuhr durch die Sonnenstrahlung unterhalten wird.
Die stationären Verhältnisse, die sich ausbilden können, sind gegeben durch das
Gleichgewicht zwischen Energieverluste durch Reibung einerseits und dem Über-
schuß der Wärmezufuhr über den Wärmeverlust durch Ausstrahlung andererseits,
Die den einzelnen Zonen der Erdatmosphäre zukommenden Energiemengen
bleiben aber nicht an Ort und Stelle, sondern erfahren innerhalb der Atmosphäre
größtenteils infolge der durch die Unterschiede in ihrer Verteilung auftretenden
Konvektionsströmungen Verschiebungen, die wieder zurückwirken auf die Zirku-
Jlation der Atmosphäre. Ein- und Ausstrahlung einerseits und Wärmetransport
in meridionaler und zonaler Richtung andererseits wirken so zusammen, jene
stationären Temperatur- und Strömungsverhältnisse innerhalb der Atmosphäre
und an der Erdoberfläche zu erhalten, die man durchschnittlich von Jahr zu
Jahr wiederfindet. Die Wichtigkeit des Wärmetransportes in horizontaler Rich-
tung für die Zirkulation der Atmosphäre ist erst in neuerer Zeit gebührend
hervorgehoben und dabei versucht worden, in den Mechanismus desselben tiefer
einzudringen, Als sehr vorteilhaft hat sich hierbei die Vorstellung erwiesen,
daß die mittleren Zustände, die man aus den fortlaufenden Beobachtungen der
meteorologischen Elemente ableitet, eigentlich nur eine Zusammenfassung recht
ungleichförmiger Werte und ungeordneter Verhältnisse sind und daß durch diese
innerhalb der Atmosphäre Prozesse verursacht werden, die von großer Bedeutung
sind für eine richtige Auffassung einer großen Zahl von Problemen klimatologi-
schen Charakters.
Für den großen Wärmetransport in horizontaler Richtung kommen vor allem
die großen Störungen und Schwankungen in der Zirkulation der gemäßigten und
polaren Breiten in Betracht; die wechselnde Strömungsrichtung bald von warm
zu kalt, bald von kalt zu warm bedingt Mischungen der verschieden temperierten
Luftmassen und dadurch eine Verschiebung der Wärme von höher- zu nieder-
temperierten Teilen der Atmosphäre, Auch diese Verschiebungen werden, im
großen betrachtet, nach der Schmidtschen Theorie des Austausches vor sich
gehen und diese Analogie zur Turbulenz der Luftstömungen kleineren Maßstabes
hat auch zur ersten zahlenmäßigen Ableitung jener Größe geführt, die den
Wärmetransport in meridionaler Richtung beherrscht und die Ermittlung des
durchschnittlichen Wärmetransportes von den niedrigen gegen die hohen Breiten
gestattet!). Die Bestimmung der Größe des „Austausches der atmosphärischen
Zirkulation“ ist seither der Gegenstand einer großen Zahl von Untersuchungen
gewesen und es ist vielleicht einmal am Platze, eine Zusammenfassung aller Be-
stimmungsmethoden und ihrer Ergebnisse zu geben, Kine allgemeine Übersicht
soll in folgenden Zeilen gegeben werden,
Die Austauschgröße der atmosphärischen Zirkulation läßt sich zunächst aus
den allgemeinen Eigenschaften der als ungeordnet aufgefaßten Bewegung der
Luft in den Störungen der außertropischen Breiten ableiten. Die Windregistrie-
rungen an irgendeiner Station geben Aufschluß über die Massenverlagerungen
nach den einzelnen Himmelsrichtungen und erlauben zu ermitteln, welche Luft-
massen innerhalb eines bestimmten Zeitraumes t durch ein beliebig orientiertes,
senkrecht stehendes Flächenelement f hindurchgeschoben werden. Sowohl in
der Richtung der vektoriell ermittelten mittleren Luftströmungsrich-
tung als auch senkrecht hierzu ordnen sich die Windwege derart an, daß sie
sich gegenseitig aufheben. Die Größe dieser sich gegenseitig aufhebenden Wind-
wege ist aber direkt proportional der „Turbulenz“ der Strömung und aus ihr
kann unter plausibeln Annahmen über die Größe der „Turbulenzwirbel“ die
Größe des Zirkulationsaustausches ermittelt werden. Man benützt hierzu die
allgemeine Formel von Schmidt für den Austausch A = An, in der man an
‘y A, Defant, Die Zirkulation der Atmosphäre in den gemäßigten Breiten der Erde. Geogr.
Annaler, 1921, S. 209,