Perlewitz, P.: Wladimir Köppen zum 80. Geburtstag,
in Deutschland spricht Köppen, bildreich und treffend wie oft, von „importierter“,
aber „im Inlande veredelter Ware“! Bereits 1882 legte er neben Dove den
Einfluß der Temperaturverteilung auf die Luftströmungen in höheren Schichten
und auf die Fortpflanzung der Minima, auf die hier — als Beispiel aus seinem
Arbeitsgebiet — etwas näher eingegangen werden soll, plausibel dar.
Die Rolle, welche die Niederschläge bei der Zugrichtung der Minima spielen
sollten, vor allem nach Clement Ley, wies er klar zurück. Im wesentlichen
sind diese Zugstraßen auf Köppen zurückzuführen, van Bebber baute sie weiter
aus und numerierte sie. Über die Wanderung der Minima !) sagen beide Forscher
1880 und 1882:
‚euftdruck und Temperaturverteilung sind das Ursächliche der Bewegung der gesamten Luft-
masse in der Umgebung der Depressionen, und diese Bewegung ist das Bedingende für die Fort-
pflanzung der Depressionen, wobei van Bebber die Rolle der Temperaturverteilung nur in ihrer
Wirkung auf die Druckverteilung in der Höhe sicht, Die Fortpflanzung der Depressionen erfolgt
annähernd in der Richtung der überwiegenden Bewegung der ganzen Luftmasse in der Umgebung
der Depression,“
Mit Sprung sagt Köppen ebenda:
„in den untersten Schichten der Atmosphäre erfolgt die nung einer Zyklone nicht wie
das Fortschreiten einer rotierenden Lufimasse, sondern. nach Art einer auf immer neue Luftmassen
sich übertragenden Wellenbewegung‘“, nachdem Köppen schon 1874 betont hatte: „Daß der Luft-
druck im Gebiete der südlichen und westlichen, warmen und feuchten Luftströmung sinken muß, ist
gewiß unbestreitbar, Das Zentrum der Zyklone bewegt sich aus den angeführten Ursachen im all-
gemeinen ostwäris, das ist nach der Seite des Südstroms,“
Die mechanischen Ursachen
spielten nach Köppen nicht die
einzige, aber eine Hauptrolle bei
der Depressionsbewegung,
Mit der Geschichte der Meteo-
rologie von der Fabelzeit an (vgl.
Köppens seinerzeit selbstausge-
schriebenes Diagramm in der Ab-
bild.) und mit den meteorologischen
Fortschritten beschäftigte sich
Köppen gern, Dem Altmeister
Dove machte er berechtigte Vor-
würfe, als jener die Fortschritte
in der damaligen „Modernen Meteo-
rologie“*), der synoptisch-karto-
graphischen Darstellung und Zy-
klonenwanderung, ablehnte. Über
das 1892 erschienene Buch von
Blasius, der die meteorologischen
Fortschritte trotz Irrtümer tref-
[end als „Teilstücke der Wahrheit“
bezeichnete, schrieb?) Köppen
1898:
„Wir wünschen, daß man auch von uns dereinst dasselbe sagen möge, Es kann aber unmöglich
ausbleiben, daß hier und da beim Bau der Wissenschaft ein Stein falsch gesetzt wird; dann ist es oft
nicht mehr möglich, ihn zurecht zu schieben, statt ihn zu verputzen und zu flicken, es ist besser, ihn
and die daraufruhenden abzutragen und so gut wie möglich neu zu setzen. Mancher anscheinend
kapitale Stein erweist sich auch nachträglich als brüchig, und mancher einst verworfene Stein, wie
Brandes’ Lehren und Vettins Experimente, erweist sich als gut zu einem Eekstein — das wird so
aleiben, so lange die Bauarbeiter eben Menschen sind.“ Und dann weiter: „Hoffen wir, daß auch
Jie moderne Meicorologie durch steten Anschluß an Beobachtung und Experiment vor dem Versteinern
zeschützt und in Fluß gehalten wird, sonst wird auch sie natürlich der gewaltsamen Abtragung nicht
entgehen können, wenn Besseres an die Stelle zu setzen ist!*
Später, 1920, schreibt Köppen bei der plötzlich einsetzenden starken Zunahme
der Meteorologen durch Krieg und Luftfahrtentwicklung als Leitwort in den
Ann. d. Hydr. (S. 409):
1) Vgl. Ann, d. Hydr., Geschichtliches usw. 1920, 8; 409 u. ff,
2) Vgl. auch Annalen der Hydr. 1893, S, 160 u. ff.