Sterneck, R.: Zur Theorie der halbtägigen Gezeiten des Atlantischen Ozeans, 9
VII. ‚Zerlegung in zwei synchrone Schwingungen, Statt in eine Längs- und
eine Querschwingung zerlegen wir nun die beobachteten Erscheinungen in zwei
stehende Schwingungen mit vorgeschriebenen Epochen, als die wir
wieder 1 und 4h (Greenw.) wählen,
An jeder. Stelle des Ozeans, an der die Hafenzeit H (Greenw.) und die
Amplitude # zur Beobachtung gelangt, zerlegen wir die beobachtete Bewegung
nach der bereits im II. Abschnitt erwähnten Formel:
400652 (t— H) = 9,008 ZZ (t— 10) + 1008 77 — 40
Die sämtlichen Einzelschwingungen mit den Amplituden %, bilden eine den
ganzen Ozean umfassende synchrone stehende Welle, ebenso die Schwin-
gungen mit den Amplituden %, eine zweite,
Eine Zerlegung, wie wir sie hier vornehmen, hat zunächst einen rein for-
malen Charakter. Nicht immer werden sich dabei zwei Schwingungen ergeben,
die auch jede für sich als selbständige Schwingungen vorkommen könnten,
Wenn aber z. B. die 1-Schwingung (die in unserem Fall, wie wir sogleich sehen
werden, eine einfache Längsschwingung ist) für sich allein hydrodynamisch
möglich ist, so muß es auch die zweite, ° Fig 4
die 4h.Schwingung sein, weil sie ja die “
1h-Schwingung zum tatsächlichen :Be-
wegungsvorgang ergänzt.
Die Knotenlinien der 1»-Schwingung
sind die Isorhachien für 4h und 10h; denn
wenn %, = 0 ist, beträgt die Hafenzeit an
der betreffenden Stelle, je nach dem Vor-
zeichen von 7, entweder 4% oder 10%, Eben-
so sind die Knotenlinien der 4*-Schwin-
gung: identisch mit den Stundenlinien 1b
und 7b, In Fig. 4 sind diese beiden Kurven-
systeme aus Fig. 1 herausgezeichnet, das
erstere durch gestrichelte, das letztere
durch ausgezogene Kurven.
VIEH. Die 1h-Schwingung. Man ent-
nimmt der Fig. 4, daß die gestrichelten
Linien sämtlich senkrecht zur Mittellinie
des Atlantischen Ozeans verlaufend, un-
gefähr ein System von Parallelkurven
bilden. Die 1M-Schwingung ist also
eine ausgesprochene Längsschwin-
gung, Sie ist, wie die Rechnungen des
IIX. Abschnittes (sowie auch Fig. 3) zeigen,
mit den Beobachtungen längs der ganzen
Mittellinie in recht gutem Einklang, wenn
wir eine ihrer Knotenlinien als durch das
Amphidromiezentrum gehend annehmen,
Das Auftreten einer solchen Längsschwin-
gung wird uns verständlich, wenn wir be-
achten, daß die Einwirkung der Nordsüd-
komponente der fluterzeugenden Kraft in Ortszeit mit der Epoche 0h bzw. 6b,
also auf Greenwich reduziert, längs der Mittellinie durchschnittlich mit der Epoche
ib. bzw. 7h erfolgt. Was die Lage ihrer Knotenlinien betrifft, so hat diejenige,
die von Frankreich durch das Amphidromiezentrum nach Labrador führt, von
Island nur einen etwa halb so großen Abstand als von der nächsten quer über
den Atlantischen Ozean verlaufenden 10b-Linie, Es ist also fast so, als ob der
Atlantische Ozean bei Island abgeschlossen wäre. Die Amphidromie südöstlich
von Island hat jedenfalls einen lokalen Charakter; sie ist offenbar durch die ge-
ringen Meerestiefen in der Umgebung der Färöer, vielleicht auch durch den Zu
sammenhang mit der Nordsee bedingt. Von Längs- und Querschwingungen des
Atlantischen Ozeans als solchen kann bei Island jedenfalls nicht mehr die Rede sein.
Ann. d, Hydr. usw, 1928, Heft 1.
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