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A. Allgemeiner Teil.
I. Zur Geschichte der Deutschen Seewarte,
a. Allgemeines.
Zu allen Ereignissen und Fragen, welche im vergangenen Jahre die Handels
schiffahrt auf ihrem ureigensten Felde, der See, bewegten, hat die Seewarte im
Rahmen ihrer Befugnisse Stellung genommen, gemeinnützig, mitdienend, mitratend,
auch anregend, immer: nachrichtlich. Darüber hinaus hat sie ihre wissenschaft
lichen Bestrebungen auf dem Gebiet der Meeres- und Wetterkunde auch an solche
Ereignisse und Bedürfnisse angeschlossen, die außerhalb der Schiffahrt liegen. Bei
der Allgemeinheit und Verbundenheit der Aufgaben, welche die Ozeane der Luft
und der See der Forschung darbieten, ist die Beschränkung auf die Anforderungen
der Schiffahrt untunlich. Auf diesen weiten Forschungsgebieten muß jeder Anstoß
und jedes Mittel zur Förderung der Erkenntnis, einerlei, woher sie kommen, be
achtet und wahrgenommen werden. Jeder Fortschritt muß einmal auch der
Schiffahrt zugute kommen. Diese Tätigkeit der Anstalt wird nur durch äußere
Umstände begrenzt: durch die Kräfte und Mittel, die der Forschung zur Verfügung
gestellt werden können. Der Gefahr des Begrabenwerdens unter Nebenaufgaben
ist durch erhöhte Aufmerksamkeit in der Pflege der „Schiffahrtsanstalt“ zu be
gegnen. Hier offenbart sich die Wechselwirkung, welche die Geschichte der
Anstalt seit ihrer Begründung kennzeichnet: wird dieser Mittelkörper kräftig er
halten, so werden auch die wissenschaftlichen Flügel nicht erlahmen und wiederum;
werden diese vernachlässigt, so wird das Ganze nicht vom Fleck kommen.
Im einzelnen mag folgendes hervorgehoben werden:
Die Vorschläge, welche die Seewarte hinsichtlich der Einrichtung eines
international zu vereinbarenden Eisnachrichtendienstes bei den Neufundlandbänken
gemacht hat, haben dazu geführt, daß sie an den Beratungen der Londoner Schiff
fahrtskonferenz mit Vollmacht beteiligt wurde. Diese hat ihre Sitzungen am
12. November 1913 begonnen und am 20. Januar 1914 abgeschlossen. Auf die Er
gebnisse kann nicht eingegangen werden, da die Bestätigung der Übereinkunft
durch die beteiligten Regierungen begreiflicher Weise noch aussteht. Unter allen
Umständen aber unterstreicht die Teilnahme an diesem wichtigen Werke den
Wesenszug der Schiffahrtsanstalt.
Dem Kompaß wurde besondere Aufmerksamkeit zugewendet. Es ist be
kannt, daß es ein leitender Gedanke Neumayers war, den Schiffsführer in den
Stand zu setzen, auf Grund der möglichst genauen Kenntnis der erdmagnetischen
Elemente einerseits und des magnetischen Charakters des Schiffes andererseits die
Deviation für jeden beliebigen Ort auf See im Voraus zu bestimmen. Es hat sich
gezeigt, daß dieser Weg nicht zu dem von Neumayer aufgestellten Ziel; zur Er
höhung der Sicherheit und Genauigkeit der Schiffsführung hinleitet. Die Erfahrung
hat vielmehr gezeigt, daß es darauf ankommt und genügt: