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Jahresbericht der Deutschen Seewarte für 1900.
beschlossen wurde. Die Verhandlungen über die Einrichtungen eines solchen
Systems sind noch nicht zum Abschlüsse gelangt und wird hierüber die Direktion
im Jahresberichte 1901 noch zu berichten haben.
Auch wurden die Erhebungen und Verhandlungen über die Verbesserungen
des Sturmwarnungswesens fortgesetzt und einige wichtige Aenderungen getroffen,
welche dahin zielten, die Wirksamkeit des Sturmwarnungswesens zu erhöhen.
Näheres hierüber findet sich weiter unten in diesem Jahresberichte.
Mit der Umwandlung des wettertelcgrapliisclien Dienstes ist eine nicht un
erhebliche Mehrbelastung der Abtheilung III eingetreten, so dafs die Arbeiten in
dieser Abtheilung trotz der Opferwilligkeit ihrer Beamten kaum bewältigt werden
können, ein Mifsstaud, welcher dringend der schleunigsten Abhilfe bedarf.
W ettertelegraphie.
I. Einrichtung des wettertelegraphischen Verkehrs mit den meteorologischen Instituten
und Stationen Europas.
Neuregulirung des wettertelegraphischen Dienstes.*)
Schon seit Bestehen der Wettertelegraphie machte sich in allen Staaten
Europas der Milsstand fühlbar, dafs das Depeschenmaterial, welches sich im all
gemeinen auf eine frühe Morgenstunde bezog, uuregelmäfsig und mit mehr oder
weniger bedeutenden Verspätungen an den Zentralstellen einlief und daher auch
erst erheblich verspätet verarbeitet und verwerthet werden konnte. Zwar wurden
von allen Seiten mannichfache Bestrebungen gemacht, diesen Mifsstand auf intei’-
nationalem Wege zu beseitigen, allein völlig vei’gebens; irgend eine Beschleunigung
des telegraphischen Verkehi’s wurde in keiner Weise erzielt.
Namentlich glaubte man das amerikanische „Circuit-System“, welches schon
seit 1872 zur Zufi’iedenheit gearbeitet hat, einfach auf Europa übertragen zu
können, kam aber nicht zur Einsicht, dafs dieses System wegen der Verschieden
heit der telegraphischen Einrichtungen (Ruhestrom in Nordamerika, Arbeitsstrom
in Europa) auf Europa ohne weiteres nicht übertragbar sei.
Da eine Regulirung dieser Frage auf internationalem Wege nicht erreichbar
schien, kam man in Deutschland auf den Gedanken, ein derartiges System in
beschränktem Maafse für Deutschland versuchsweise einzuführen und dann, wenn
günstige Erfolge erzielt wurden, auch auf die Nachbarländer zu übertragen. Bei
dem Vei-folg dieses Systems zeigte sich aber sofoi’t, dafs liier ein ganz anderer
Weg eingeschlagen werden mufste, als man früher allgemein annahm. Denn da
man in Deutschland sich ausschliefslich nur des Arbeitsstromes bediente, welcher
das Mitschreiben der Telegramme an den Zwischenstationen ausschliefst, mufste
man ein anderes, von dem Amerikanischen völlig vei’schiedenes System, das
„Radialsystem“, in Anwendung bringen, welches darin besteht, dafs die Wetter
telegramme von den einzelnen Stationen oder kleineren Stationsgi'uppen innexhalb
einer ganz bestimmten Zeit an die Zentrale, also an die Deutsche Seewarte in
Hamburg, übermittelt werden, hier zusammengestellt bezw. verarbeitet und das
Dcpeschenmateria 1 mit dei’selben Beschleunigung dem Publikum zugestellt werde.
Diese Idee fand die Billigung des Reichs-Marine-Amts und die Folge war,
dafs in den Jahren 1899 und 1900 wiederholt kommissarische Berathungen mit
dem Reichspostamte stattfanden, welche auch zu dem gewünschten Ziele führten.
Um schon sofort praktische Erfolge zu erzielen und axifweisen zu können,
erschien es zunächst wünschenswert!! und geboten, das ursprünglich in Aussicht
*) Yergl. van Bebber: „Gegenwärtiger Stand der Wettertelegrapliie“, im „Wetter“,
Jahrg. 1901, Heft 2.