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Kapt, A. Kühn vom Hamburger Schiffe „Deutschland“, auf der Reise
von Hamburg nach Rangoon, berichtet:
„Am 7. Dezember 1878 gegen 6h p. m. erblickte ich voraus einen Strich
an B.B. einen hellgrauen, halbrunden, hohen Gegenstand, welcher sich gegen
die grauen Stratus-Wolken merkwürdig scharf abzeichnete. Anfänglich das
fragliche Objekt für eine Wolke haltend, kam ich doch bald zu der Ueber-
zeugung, dass dasselbe ein Eisberg sei. Ich behielt meinen Kurs bei und hatte
mit 9 Kn Fahrt den Berg um 7 p. m. in die Peilung Nord und 1 Sm Entfernung
gebracht. Er hatte die Form eines abgestumpften Kegels, welcher nach Ost
und West allmählich gegen das Wasser hin abfiel; seine Höhe betrug etwa 60m
(200 Fuss), seine Länge 150m (500 Fuss). An der Südseite erschien er steil
abfallend und von schmutzig grauer Farbe, als ob das Eis mit Erdtheilen ver-
mischt wäre, während der übrige Theil des Berges stark mit Schnee bedeckt
war. In Lee, das heisst an der Ostseite von dem Berge, in !/s Sm Entfernung
frieben drei kleine Eisstücke, welche nur wenige Fuss über dem Wasser hervor-
ragten. Nach gutem Mittagsbesteck war unsere Position um 7* p. m. 42° 28‘ S-Br
und 1° 17‘ W-Lg.
Am anderen Tage (den 8. Dezember) um 10* a, m. passirten wir abermals
in 1 Sm Entfernung einen grossen Eisberg, welcher an Höhe und Länge den
gestern gesehenen übertraf. Gleichzeitig sahen wir etwa 10 Sm südlicher zwei
kleinere, etwa 20m (70 Fuss) hohe Berge und noch zwei andere in nordöstlicher
Richtung von dem grossen Berge. Die beiden letzteren waren für die Schiff-
fahrt besonders gefährlich; da sie bei einer Länge von 30m (100 Fuss) kaum
6m (20 Fuss) über dem Wasser hervorragten und fast das Aussehen des Schaum-
kopfes einer See hatten, so wären sie bei Nacht schwerlich zu sehen gewesen.
Auch bei diesem grossen Eisberge trieben an der Ostseite kleine, kaum über
Wasser ragende Stücke, und er zeigte ebenfalls an der einen — hier der West-
seite — die scharf abgebrochene graue Wand. Unsere Position um 10* a.m.
war 42° 30‘ S-Br und 1° 22‘ O-Lg.
Die Temperatur der Luft und des Wassers wurde vor und nach dem
Passiren des HEises des öfteren beobachtet, zeigte aber keine Veränderung.
Soevögel waren nur sehr wenige vorhanden.“
Die Temperatur der Luft und des Wassers zeigte sich in der That, ob-
gleich „Deutschland“ in grosser Nähe (nur 1 Sm Abstand) von dieser beträcht-
lichen Eismasse passirte, sehr wenig beeinflusst. Es war nämlich nach den
vierstündlichen Notirungen des Journals die Temperatur des Wassers:
am 6, in 41,9° S-Br und 5,8° W-Lg Mittel 10,1°, Max, 10,6°, Min. 9,8°,
np 7. „124° „ 2» ZT° „98° »„ 105° „ 92°,
„8. „425° „ 1,7° O-Lg ” 9,5%, „ 10,0°, „ 38,8°,
9. „414° „ » 16° ” 9,6°, „ 10,2°, „ 9,0°.
Kapt. Kühn bemerkt ferner: „Das Eis treibt in einer für die Schifffahrt
sehr gefährlichen Position, da es sich im Fahrwasser der Ausreise der meisten
Schiffe befindet, und die Gefahr für ein Schiff ist um so grösser, als man in
dieser Gegend doch eigentlich kein Eis erwartet. Ich bin seit 1870 in der
Reisfahrt beschäftigt, habe aber in allen diesen Jahren, obgleich ich (weiter
östlich) schon bis 48° S-Br herunter war, noch niemals Eis gesehen.“
Es mag nicht unpassend erscheinen, hier auf die Möglichkeit hinzudeuten,
dass auch das spurlose Vorschwinden des eisernen Bremer Schiffes „Kaiser Wilhelm“,
welches am 5. November 1878 von Bremen nach Ostindien in See ging, mit dem
in diesem Jahre im Südatlantischen Ozeane so häufigen Treibeise im Zusammen-
hange steht. Der Führer des Schiffes, Kapt. G. Hauck, war ein langjähriger
ecifriger Mitarbeiter der Seowarte.