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Full text: 6, 1878

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wieder SW, der Barometerstand wurde auf derselben um Mittag zu 745mm, um 
8h Abends, wo sic vermuthlich dem Minimum sehr nahe war, zu 729 mm gefunden, 
nach einem auf der Sccwarte goprüflten Barometer, Am Morgen des 25. wurde 
das Schiff in sinkendem Zustand verlassen. 
Das Bremer Schiff „Charlotte“, welches sich gleichzeitig etwas näher zur 
deutschen Küste (Okt. 24 Mittags in 54° 15’ N-Br und 6° 55’ O-Lg) befand, 
hatte ebenfalls schweren Sturm vom Mittag bis nach Mitternacht, der seinen 
Höhepunkt zwischen 6* und 7" Abends mit orkanähnlichem Südost erreichte, 
worauf der Wind wieder nach SW zurücksprang. 
Das Hamburger Packetboot „Cimbria“, auf der Heimreise begriffen, hatte 
am Morgen des 24. in der Strasse von Dover um 8a. m. S 9 mit sehr böigem 
Wetter; um 2* p.m. sprang der Wind in einer sehr schweren Regenböe von 
SSW nach West; um 8" p.m. wurde in den Hoofden, in 52° 30‘ N-Br und 
3° 28‘ O-Lg, der Wind mit West 8—9 verzeichnet; schwere Regenböen 
dauerten fort. 
Wenige Meilen westlicher hatte der Ort Walmer bei Deal etwas nach 
£ Uhr Nachmittags am 24, einen orkanartigen Windstoss zu erleiden, welcher nach 
seiner kurzen Dauer, geringen räumlichen Ausdehnung und ausserordentlich ver- 
heerenden Kraft durchaus einem nordamerikanischen Tornado entspricht; die 
Dauer desselben betrug nur 1 bis höchstens 2 Minuten, die Breite des verwüsteten 
Gebiets nur 130 bis 200m, bei einer Länge von etwa 2 englischen Meilen 
in der Richtung S 54° W nach N 54° E; bei Lower Walmer ging der Tornado 
auf das Meer hinüber. Da das Terrain dicht bebaut ist, so ist der angerichtete 
Schaden sehr gross. Die Gewalt des Windstosses wird durch eine Unzahl ab- 
gerissener Dächer, umgeworfener Schornsteine, eingedrückter Fenster und Thüren 
und entwurzelter oder abgebrochener Bäume bezeugt; eine Mauer von 14 Zoll 
Dicke bei 7 Fuss Höhe wurde auf einer Strecke von 86 Fuss Länge umgeblasen, 
In Deal selbst scheint der Windstoss nicht verspürt zu sein, wohl aber 
stürmte es auch dort sehr heftig in den Mittagsstunden; in der uns vorliegenden 
Beschreibung heisst es: „Bald nach Tagesanbruch am 24. begann eine starke 
südliche Brise, nachdem am vorigen Tage und in der Nacht mässiger Südwest 
voweht hatte; dieselbe veranlasste eine grosse Anzahl von Schiffen, in den 
Downs Schutz zu suchen, welche einige Stunden vorher nahezu ganz öde waren; 
vegen 10 Uhr nahm die See ein sehr unruhiges Aussehen an, und wurde der Wind 
stürmisch aus Süden; von 12 bis 1 Uhr wuchs der Sturm beinahe zu einem 
Orkan an, mit strömoendem Regen; etwa 5 Minuten nach Eins trat dann der 
erwähnte Tornado im Süden von Deal auf. Als der letztere auf die See über- 
ging, wurden die Schiffe in den Downs für einige Minuten von Spritzwasser 
verhüllt, und wurde ein ziemlich grosses Boot vom Ufer in die Luft gehoben 
und eine Strecke weit ins Meer fortgeführt, von wo es jedoch wieder zurück- 
veholt werden. konnte; das Takelwerk einiger Schiffe in etwa 1'/a miles vom 
Ufer war behängt mit Heu und Stroh; auf dem Lande waren alle Wege der 
Umgegend von Stücken Dachschiefer, Ziegeln, Glasscheiben u. s. w. bedeckt; 
ein Kübel von 3 Fuss Durchmesser und 2 Fuss Tiefe, ?/s voll Wasser war ge- 
hoben und etwa 100 Fuss nach Nordosten geführt. Menschenleben ist, durch 
merkwürdig glücklichen Zufall, keines verloren, wiewohl eine Anzahl Verwun- 
dungen vorkamen.“ ‘*) 
Die Vorgänge im Luftdruck, welche diese gewaltsame Aufregung der 
Atmosphäre begleiteten, waren kurz folgende. 
Das Theilminimum, das diesen Sturm bedingte und welches am Morgen 
des 24. über England angedeutet war, schritt mit einer Geschwindigkeit von 
durchschnittlich 40Km in der Stunde nordostwärts und befand sich am Morgen 
des 25. im südlichen Norwegen; dabei hatte es über der Nordsee an Tiefe 
sehr zugenommen und eine selbstständige Entwickelung erlangt, während in 
Schottland, in dessen Nähe das Hauptminimum bereits seit mehreren Tagen 
jag, der Luftdruck sich wenig geändert hatte. Auch an den Orten, die an der 
Südostseite der Bahn des Theilminimums lagen, wie Hamburg, ging das während 
1) Die obigen Daten sind entnommen dem Novemberheft von Symons’s „Monthly Meteorological 
Magazine“, wo sich nähere Beschreibungen des angerichteten Schadens finden; leider fehlen jedoch 
Beobachtungen über den Verlauf der Erscheinung, die Vorgänge am Wolkenhimmel und die Richtung 
Jes für einen Wirbelwind erklärten Windstosses.
	        
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