Veber die Stürme an der deutschen Küste im Monat Oktober 1878.
(Mittheilung von der Deutschen Seewarte,)
Nachdem seit dem 20, Mai d. J. die deutsche Küste den Sommer über, mit
Ausnahme etwa des 17. August, von grösseren Stürmen ganz verschont geblieben
war, und die erste Hälfte des Septembers aussergewöhnlich schöne, ruhige und
warme Witterung gebracht hatte, führte sich der Herbst in Norddeutschland
mit einer viertägigen Periode stürmischen Wetters ein, vom 16. bis zum 19, Sep-
tember, auf welche wieder grösstentheils ruhiges und schönes, obwohl ziemlich
kühles Wetter folgte.
Im Oktober traten mehrmals Stürme von erheblicher Ausdehnung an der
deutschen Küste auf, von welchen namentlich jener vom 25, bis 26. sohr
charakteristisch und einer genaueren Prüfung werth ist.
Von den Anemometern auf den Normal-Beobachtungsstationen der Deut-
schen Seewarte, welche alle Stunden den durchlaufenen Windweg, oder, was
auf dasselbe hinauskommt, die mittlere Windgeschwindigkeit dieser Stunde
registriren, wurden in folgenden Fällen Geschwindigkeiten über 15m per Se-
kunde — einem steifen Winde entsprechend, aufgezeichnet:
in Borkum am 24., 3—7 Uhr Nachmittags;
in Wilhelmshaven am 1., 3—4 Uhr Morgens; am 10., 9—10 Uhr
Abends; am 1l., 1—2, 3—5 und 8—11 Uhr Morgens; am 24,,
4—11 Uhr Abends: am 26.. 6—7 Uhr und am 27. 2—3 Uhr Nach-
mittags;
Keitum am 24.—25., 8 Uhr Abends bis 6 Uhr Morgens, und wieder
(am 25.) 8—9 Uhr Morgens; am 27., 11 Uhr Morgens bis 2 Uhr
Nachmittags;
Hamburg am 1l., 9—11 Uhr Morgens und von 12—1 Uhr Mittags;
am 24., 7—11 Uhr Nachmittags; am 27., 6 Uhr Morgens bis 3 Uhr
Nachmittags;
in Wustrow am 12, 2—4 Uhr Nachts; am 23., 6—7 Uhr Morgens;
am 24.—25., 9 Uhr Abends bis 2 Uhr Morgens; am 27., 10—12 Uhr
Vormittags;
in Swinemünde am 25., Mitternacht bis 2 Uhr früh;
in Neufahrwasser an keinem einzigen Tage.
Die stürmische Bö in Wilhelmshaven in der Nacht auf den 1. Oktober
war eine Wiederholung der Gewitterbö, welche in Hamburg am vorhergehenden
Nachmittage aufgetreten war, und in welcher der Wind wenigstens von 5 Uhr
30 Minuten bis 5 Uhr 40 Minuten ebenfalls 15m per Sekunde erreicht hatte.
Vor den ausgedehnteren Stürmen am 11.—12., 24.—25. und am 27, wur-
den die deutschen Küstenplätze grösstentheils rechtzeitig gewarnt durch tele-
graphische Mittheilungen, welche die Aufheissung von Signalen anordneten und
an folgenden Terminen von der Seewarte ausgegeben wurden: am 10, um
11%/4 Uhr Vormittags für die ganze deutsche Nordseeküste; am 21. 5 Uhr Nach-
mittags für die ostfriesischen Inseln und für Tönning; am 24. 12'/4 Uhr für die
Küste von Borkum bis Rügen und um 4'/4 Uhr desselben Tages unter näherer
Präcisirung für sämmtliche Signalstellen von Borkum bis Memel; endlich am
26. um 1 Uhr 30 Minuten wieder für die Küste von Borkum bis Rügen.
Der Verlauf dieser Stürme soll im Folgenden seinen wesentlichen Zügen
nach beschrieben werden.
Ein tiefes barometrisches Minimum, das am Abend des 9, sich bereits an
der Westküste Irlands durch aussergewöhnlich tiefen Barometerstand (727mm)
und stürmischen Südwind ankündigte,!) lag am Morgen des 10. über dem Nord-
Werliaunrals
1) Weiter zurück lässt sich dieser Sturm durch die merkwürdigen Berichte der deutschen
Schiffe „Charlotte“, Kapt. Gutsmuths, und „Mercur“, Kapt. de Haan, verfolgen, welche beide
denselben Sturm vom 8. Oktober Mittags bis zu dem Abend des 9, („Charlotte“), oder dem Morgen
des 10. („Mercur“) auszuhalten hatten, ersteres Schiff in etwa 451/99 N-Br und 20° W-Le. letzteres
Ann. d©. Hydr.. 1878. Heft XIT (Deeambar}