Nach den Daten dieser Tabelle sind nun die Curven (s. Taf. I) gezogen, aus
denen die Normalwerthe für die einzelnen Tage abgeleitet wurden, und zwar,
indem die Mitteltemperaturen jedes Monats auf dessen Mitte bezogen wurden, mit
einer kleinen Correction an den Wendemonaten, welche sich empirisch als nicht
grösser, wie 0.1° bis 0.2° C. bestimmen liess. Wenn nämlich beispielsweise auf den
15. Januar der kälteste Tag des Jahres fällt, so ist selbstverständlich, dass die
Temperatur desselben tiefer sein muss, als die Mitteltemperatur des Januars,
Die Grösse dieses Fehlers, welcher ganz ebenso vorhanden ist, wenn man Monats-
mittel der Rechnung mit der Bessel’scheh Formel unterwirft, wurde einfach
empirisch bestimmt, indem für einige Orte die Curve nach den Monatsmitteln
gezogen, die Werthe für die einzelnen Tage daraus entnommen und deren Mittel
mit dem eigentlichen Monatsmittel verglichen wurde. Es zeigten sich nur jene
geringen Differenzen, die dann an der weiteren Curve bei der Zeichnung selbst
berücksichtigt wurden.
Die Curventafel I giebt die so erhaltenen Curven, für die Wintermonate
nur für 8b, für die Sommermonate für 8* und 7*, wieder (für Königsberg durch-
weg 7%), und zwar zunächst jene Curven (für Memel etc. bis Friedrichshafen),
welchen zum Vergleich aus derselben oder einer ähnlichen Jahresreihe berechnete
Pentadenmittel gegenüber gestellt werden konnten, sodann auch die Curven für
diejenigen Stationen, bei welchen dieses nicht der Fall war, Zu beachten ist
übrigens, dass die gebrochene Linie, welche die Pentadenmittel darstellt, sich
auf (rohe) Mittelwerthe des Tages, resp. der betreffenden Stundencombination,
nicht aber auf die Temperatur von 8 oder 7 Uhr Morgens bezieht, wie die
Curven es thun.
Mit Ausnahme jener;'gon Hamburg, Karlsruhe und München, welche
längere Zeiträume verschiedener Dauer betreffen, beziehen sich sämmtliche
Curven und Pentadenmittel auf die Periode 1848—1872 und enthalten also
auch die etwaigen Eigenthümlichkeiten dieser Periode. In dieser Hinsicht
ist am hervorstehendsten eine Unregelmässigkeit im Ausgang des Winters,
indem an den : westlichen Stationen der Februar im Verhältniss zum März
zu warm erscheint. Diese Knickung der Curve ist am stärksten in Trier
ausgesprochen und verschwindet, je weiter man Oostwärts geht, um so mehr.
Dass in Königsberg indessen der Februar sogar kälter ist, als der Januar,
gilt nur für die Stunde 7* a, m., auf welche die Curve sich bezieht, und hat
seinen Grund zum Theil in der stärkeren täglichen Schwankung der Temperatur
im Februar.
Der Werth jedes Skalentheils ist in beiden Curventafeln = 1° C.
Der Uebersichtlichkeit wegen sind die Curven aus einander geschoben und
unter cinander gestellt, so dass aus den Tafeln nur der jährliche Gang an jeder
Station ersehen, nicht aber die Höhe der Temperatur an verschiedenen Stationen
verglichen werden kann. Auf der Tafel II sind als Anhaltspunkte für die
absolute Höhe der Temperatur die dem Gefrierpunkte entsprechenden Horizontalen
innerhalb der betreffenden Curvenstücke stärker gezogen. Um den klimatischen
Unterschieden, neben den Tabellen 2 und 10, einen leicht fasslichen und ver-
wendbaren Ausdruck zu geben, stellen wir in der umstehenden Tabelle 11 (in
welcher jedesmal der Nenner den Monat, der Zähler das Datum bezeichnet) die
Durchgangszeiten der Normaltemperaturen für 8 Uhr Morgens durch 0°, 5°, 10°
und 15° C. nach den Curven zusammen. Diese Daten können sowohl bei
Fragen des praktischen Lebens, als bei Untersuchungen über die periodischen
Erscheinungen der lebenden Natur Anwendung finden und stellen eine Art von
klimatischem Kalender für die betreffenden Stationen dar. Wir geben die
letzteren in der Reihenfolge der Zeit des Eintritts von Temperaturen gleich und
über 10° C. im Frühling. Die verzögernde Wirkung der Meeresnähe tritt
deutlich hervor; dieselbe bewirkt aber, da das Meer im Norden Deutschlands
liegt, im Frühling eine Verstärkung, im Herbst eine Abschwächung der Un-
gyleichheiten in der Temperatur über Deutschland, da sogar die im Frühling
so sehr verspätenden Stationen der östlichen Ostsee im Herbst ihre Wärme fast
ebenso lange, wie jene des übrigen Deutschlands behalten; so ist z. B. Memel
im Mai um 14 Tage hinter München zurück, erreicht aber Ende October die-
selbe Temperatur gleichzeitig mit München,
Ann. d. Hydr., 1878, Heft I (Jannar).