3 Physikalische Ozeanographie
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Nordseezustand 2004
3.2 Seegang
Seegang ist der durch Windenergie erzeugte Schwingungszustand der Meeresober
fläche. Er setzt sich aus Windsee und Dünung zusammen.
Die Wellenhöhen der Windsee sind abhängig von der Windstärke, der Wirkdauer des
Windes und der Windstreichlänge (Strecke, über die der Wind auf die Meeresoberflä
che wirkt; engl. >Fetch<). Dünung ist »alter« Seegang aus entfernten Sturmgebieten,
der sich über große Distanzen unabhängig vom lokalen Wind ausbreitet. Dünungswel
len sind im Gegensatz zur Windsee abgerundet und können im Atlantik Wellenlängen
von mehr als 200 m erreichen. Als Maß für die Stärke des Seegangs wird die signifi
kante oder auch kennzeichnende Wellenhöhe (SWH) verwendet, die als mittlere Wel
lenhöhe des oberen Drittels der Wellenhöhenverteilung definiert ist.
Die Hauptdatenbasis für die in diesem Abschnitt niedergelegten Ergebnisse bilden
Seegangsdaten, die mit dem operationeilen Wellenvorhersagemodell >WAM< (WAMDI
Group 1988) des Deutschen Wetterdienstes (DWD) generiert wurden. Zusätzlich
zu den saisonal gemittelten geographischen Seegangsverteilungen im Berichtsjahr
werden Momentaufnahmen für zwei Sturmereignisse präsentiert. Sodann wird die
Güte der simulierten Seegangsvariablen und des Windantriebs für ausgewählte Posi
tionen, an denen hinreichende Beobachtungen Vorlagen, überprüft. Abschließend
werden die Eigenschaften lokaler Häufigkeitsverteilungen für Wind- und Windsee in
der zentralen Nordsee und der Deutschen Bucht diskutiert.
3.2.1 Geographische Seegangsverteilungen
Das saisonale Seegangsklima im Jahr 2004 wird durch die mittlere signifikante Wel
lenhöhe und die Hauptrichtung von Windsee und Dünung charakterisiert (Abb.3-9).
Die geographischen Verteilungen beruhen auf Auswertungen der Seegangsvorhersa
gen des DWD.
Die prinzipiellen saisonalen Unterschiede mit maximalen Wellenhöhen im Winterhalb
jahr und geringsten Wellenhöhen im Frühjahr und Sommer erklären sich aus entspre
chenden Intensitätsänderungen im Windantrieb (vgl. Abschnitt2.3, S. 45). Die in allen
Jahreszeiten ähnlichen Verteilungsmuster zeigen dabei von Norden nach Süden und
zu den Küsten hin abnehmende Wellenhöhen. In dieser typischen Struktur des Wel
lenhöhenfeldes prägt sich die geographisch-bathymetrische Konfiguration der Nord
see aus, die nach Norden hin durch zunehmende Wassertiefen und eine weite Öff
nung zum Nordatlantik wesentlich bestimmt ist. Die großräumigen Verteilungen der
mittleren Wellenhöhe ähnelten denjenigen des Vorjahres (Loewe et al. 2005). Insge
samt zeichneten sich die Verteilungen im Winter-, Sommer- und Herbstquartal des
Jahres 2004 durch um bis zu 0.5 m höhere Wellen aus, während für das Frühjahrs
quartal das Gegenteil zutrifft. Dieser Befund steht im Einklang mit einer ungewöhnli
chen Häufung von NW-Wetterlagen (Abschnitt2.2.3, S. 40) sowie der generellen Zunah
me der Windstärke gegenüber derjenigen im windschwachen Jahr 2003 (vgl.
Abb. 2-13, S. 54).
Die Dünung hatte in allen Jahreszeiten NW-liche Richtung, denn sie läuft zumeist aus
dem Nordostatlantik heran. Im flacheren Wasser der westlichen Nordsee schwenkt sie
infolge Refraktion auf die britische Küste zu. Die Richtung der Windsee stimmt gene
rell mit der Windrichtung überein; demzufolge kam die Windsee im Jahr 2004 auf den
betrachteten saisonalen Zeitskalen aus W (vgl. Abb. 2-8, S. 46). Lediglich im Frühjahr