2.4 Nordseewind
Nordseezustand 2004
55
jektorien lassen sich mittlere Vektorwinde aus den (geradlinigen) Abständen zwischen
beliebigen Zeitmarken ableiten. Während sich jedoch für jene aus der Weglänge ent
lang der Trajektorie (Linienintegral) auch die mittlere Windgeschwindigkeit ergibt, trifft
dies für die klimatologische Trajektorie nicht zu. Bei einer Gesamtlänge von 1508 m/s
xTag ergäbe sich beispielsweise im Jahresmittel eine Windgeschwindigkeit von nur
4.1 m/s, welche die aus dem 30-jährigen Mittel der Weglängen der Einzeltrajektorien
berechnete korrekte Geschwindigkeit von 9.0 m/s erheblich unterschreitet. Die Diskre
panz resultiert aus der »Unterschlagung« täglicher »Umwege«. Werden die täglichen
Teilstücke durch die skalierten Sequenzen der jeweils 30 zugrunde liegenden Vekto
ren ersetzt, führt dies zu einer »Entglättung« der klimatologischen Trajektorie, deren
Länge von 3299 m/s x Tag (schwarz) dann zur korrekten mittleren Windgeschwindig
keit passt.
Die Nettoversetzung im Jahr 2004 entspricht einem mittleren Vektorwind von 4.0 m/s
aus W (261°) und Rang 21 im Gesamtensemble (34), welches den Wertebereich von
1.8 (1996) bis 5.7 m/s (1990) abdeckt. Der Endpunkt der Trajektorie befindet sich un
weit des klimatologischen »Schwerpunkts« (3.7 m/s, 256°) und gleichzeitig im Mittel
feld der Punktwolke des Ensembles (Abb.2-13). Das Jahresmittel des Betrags der
Windgeschwindigkeit - das sich wie beschrieben aus der Weglänge der Trajektorie ab
leitet - lag im Jahr 2004 bei 8.4 m/s und nahm Rang 7 im Gesamtensemble ein. Die
geringsten Windgeschwindigkeiten (Rang 1-3) traten mit 7.6, 8.0 und 8.3 m/s im Vor
jahr (2003), 1987 und 1976 auf, die höchsten (Rang 32-34) 1986, 2000 (je 9.6) und
1990 (10.0 m/s). Das geringe Geschwindigkeitsmittel in Verbindung mit dem leicht
überdurchschnittlichen Vektormittel deutet auf eine erhöhte Richtungsstabilität der
u-Komponente des Windes hin, welche den Vektorwind gewöhnlich dominiert. Im Jahr
1976, das sich hinsichtlich des geringen Geschwindigkeitsmittels kaum von demjeni
gen im Jahr 2004 unterscheidet, bedingten hingegen häufige W/E-Richtungswechsel
ein ebenfalls geringes Vektormittel von 2.2 m/s (Rang 2).
Die klimatologische Trajektorie bietet eine kompakte Zusammenschau der jahreszeit
lichen Veränderungen der atmosphärischen Aktionszentren (Islandtief und Azoren
hoch) im Nordatlantik. Die Variationen dieser quasipermanenten Druckgebilde bzgl.
Lage und Intensität, die sich im Verlauf der Trajektorie spiegeln, wurden bereits im
Rahmen der Diskussion der klimatologischen Luftdruckverteilungen erörtert (vgl. 5. 45
und Abb. 2-9,5.47). Die Trajektorie gliedert sich in drei Abschnitte. Gleichförmig kräftige
Winde aus WSW prägen von Oktober bis März die kalte Jahreshälfte, die unvermittelt
in die Stagnationsperiode im April und Mai übergeht, in deren Verlauf sich der Einfluss
des Azorenhochs durchsetzt. An dessen Nordrand auftretende schwache WNW-Win-
de charakterisieren ab Juni den Durchschnittssommer.
Bei Interpretation und Einschätzung des Trajektorienverlaufs im Jahr 2004 ist zu be
achten, dass Teilabschnitte dann gut mit dem klimatologischen Verlauf übereinstim
men, wenn sie sich durch Parallelverschiebung annähernd zur Deckung bringen las
sen, also sowohl hinsichtlich Abschnittslänge als auch Richtung ähnlich sind. Dies trifft
tatsächlich nur im Juli und mit Einschränkung im März und Dezember zu. Der grund
sätzliche Verlauf stellt einen »Torkelpfad« um die Klimatologie herum dar, wie insge
samt 7 Querungen belegen (Abb. 2-13). Diese Querungen waren gewöhnlich mit Ano
malien der meridionalen Windkomponente verbunden (vgl. Abb. 2-11, 5.50), deren
Vorzeichen meist von Monat zu Monat (1&2, 4&5, O&N) oder sogar innerhalb eines
Monats (9) wechselte. Die wechselseitige Annullierung der meridionalen Abweichun
gen (infolge des undulatorischen Fortschreitens der Trajektorie) in Verbindung mit
meist geringen Anomalien der zonalen Windkomponente hatte zur Folge, dass eine