4.4 Radioaktive Stoffe
Nordseezustand 2004
191
Ein Großteil der Belastung durch 137 Cs und Transurane resultiert inzwischen aus re-
suspendierten Partikeln des Sediments der Irischen See und weniger aus den gegen
wärtigen Ableitungen der Wiederaufarbeitungsanlagen (Kershaw et al. 1999). Das
Sediment der Irischen See wurde vor allem in den 1970er Jahren hoch kontaminiert.
Die Quellstärke des Sediments für 137 Cs wird auf 50 bis 70 TBq/Jahr geschätzt, was
dem 5- bis 10fachen der gegenwärtigen Einleitungen entspricht. Resuspension wird
sowohl durch natürliche Ereignisse wie Stürme, als auch durch menschliche Aktivitä
ten wie Grundnetz- und Baumkurrenfischerei hervorgerufen.
Die Oberflächensedimente der Nordsee sind großteils sandig, was eine nur schwache
Tendenz zur Anreicherung von Radionukliden beinhaltet. Für 137 Cs liegen die spezifi
schen Aktivitäten hier unter 10 Bq/kg, für Transurane zwischen 1 und 2 Bq/kg Trocken
masse. Die spezifische Aktivität des natürlichen 40 K übersteigt 100 Bq/kg meist deut
lich. Das Sediment ist in den meisten Gebieten bis in 40 cm Tiefe weitgehend durch
mischt, so dass sich keine Informationen über unterschiedliche Eintragzeiten im
relevanten Zeitraum der vergangenen 50 Jahren ableiten lassen. Dieser Umstand in
diziert, dass die Abreicherung der Wassersäule durch Sedimentation ein durch Wie
derfreisetzung abgelagerter Radionuklide umkehrbarer Prozess ist. Die seit einigen
Jahren relativ stationären Volumenaktivitäten von 137 Cs und 90 Sr (Abb.4-46,S. 192)
deuten möglicherweise auf ein Gleichgewicht dieser Austauschprozesse hin.
Der Fallout infolge des Reaktorunfalls von Tschernobyl im April 1986 ist nur noch im
Ausstrom des Ostseewassers nachweisbar, das die Nordsee über der norwegischen
Rinne verlässt. Ableitungen aus Kernkraftwerken oder anderen kerntechnischen Ein
richtungen spielen für das Aktivitätsinventar der Nordsee kaum eine Rolle. Sie sind al
lenfalls in unmittelbarer Umgebung dieser Anlagen nachweisbar. Dies gilt auch für die
bis 1982 durchgeführte Versenkung schwach-radioaktiver Abfälle in mehr als 4000 m
Tiefe im Nordostatlantik. Auch die früheren Versenkungen radioaktiver Abfälle durch
die ehemalige UdSSR in der Barents- und Karasee, oder das 1989 gesunkene russi
sche Atom-U-Boot >Komsomolets< in etwa 1700 m Tiefe in der Norwegensee führten
zu keiner erhöhten Belastung dieser Meeresgebiete oder gar der Nordsee.
4.4.3 Caesium und Strontium
137 Cs und 90 Sr rückten insbesondere nach dem Reaktorunfall von Tschernobyl, bei
dem neben 131 1 gerade diese langlebigen Spalt- und Aktivierungsnuklide in hohem
Maße freigesetzt wurden, in den Blickpunkt öffentlichen Interesses.
Die zeitliche Entwicklung der Aktivitätskonzentration von 137 Cs und 90 Sr seit 1961 ist
in Abb. 4-46 für die Positionen der früheren Feuerschiffe >Elbe 1 < und >Borkumriff< dar
gestellt. Deutlich treten die hohen Konzentrationen von 137 Cs aus dem Fallout nach
dem Tschernobyl-Unfall hervor, der sich im April 1986 ereignete. An der Position
>Elbe 1< in der inneren Deutschen Bucht wurden lange Zeit höhere Konzentrationen
gemessen als an der Position >Borkumriff<, was sich aus den höheren Konzentrationen
des Abflusswassers der Elbe erklärt. Heute ist der Tschernobyl-Fallout in der Deut
schen Bucht nicht mehr nachweisbar. Lediglich im Skagerrak entlang der norwegi
schen Küste lassen sich noch geringe Spuren aus dieser Quelle im Ausstromwasser
der Ostsee feststellen.
Die kurzzeitige Spitzenkonzentration beim 137 Cs im Jahr 1981 bei >Borkumriff< ist auf
das Vordringen höher kontaminierter Wassermassen aus nördlicheren Seegebieten
zurückzuführen. Dieser Konzentrationsanstieg ging einher mit einer verminderten Ak