Parteizugehörigkeit, historisch noch nicht so bewertet worden, daß sie den wirklichen Herausfor-
derungen entsprechen.
Wir haben uns in Ostdeutschland in der Zeit, in der wir leider 40 Jahre getrennt gelebt
haben, eine Verkehrshochschule mit dem Namen Friedrich List geleistet, der ein Befürworter
des maritimen Bereichs war. Leider haben wir es nicht geschafft, diese Verkehrshochschule im
vereinten Deutschland zu erhalten. Ich halte dies für einen Fehler angesichts der Tatsache, daß
Deutschland die Verkehrsdrehscheibe Nr. 1 in Europa ist.
Friedrich List hat folgendes formuliert:
„Wer an der See keinen Anteil hat, ist ausgenommen von den guten Dingen und Ehren
der Welt. der ist unseres lieben Herrgotts Stiefkind“‘.
Ich glaube, wir sollten uns nicht als Stiefkinder fühlen, wenn wir eigentlich Königskinder
sein könnten.
In der Verkehrspolitik müssen wir konsequent sehen, daß dem Europäischen Gedanken
einer Wirtschaftsunion kaum entsprochen wird, wenn möglichst viele „Löcher durch die Alpen“
gebohrt und dann Güter mit dem Auto oder dem Lkw gegen jede Vernunft über die Alpen
transportiert werden, anstatt energieverträglicher auf dem Wasserwege mit dem Schiff. Die
Verkehrspolitik muß hier neue Lösungen entwickeln.
Auf Initiative der Bundesregierung haben wir in der EG durchsetzen können, daß das Jahr
1993 das „Maritime Jahr‘ im Verkehrsbereich wird. Es ist bekannt, daß die Ressourcen immer
knapper werden. Unter energiepolitischen Gesichtspunkten und zur Erhaltung unseres Planeten
müssen wir das CO,-Problem wirklich ernsthaft in Angriff nehmen und deshalb den energie-
freundlichsten Verkehrsweg — das Meer — wesentlich mehr nutzen.
Wie können wir das leisten? Wir müssen dazu kommen, daß die wirklichen Wegekosten
auch den internationalen Dienstleistungen angerechnet werden. Würde dies in Deutschland heute
schon geschehen, dann würde ein hier nicht registrierter Lkw wesentlich mehr für das Vorhalten
der Straßen bezahlen müssen, als er es heute wirklich tut. Und deshalb müßten wir auch nicht
so viele „Löcher durch die Alpen“ bohren, sondern könnten auch — just in time — eine gut
funktionierende See- und Küstenschiffahrt in Europa realisieren. Hier müssen die verkehrspoliti-
schen Veränderungen in Europa ansetzen,
Wichtig ist, die Sicherheit in den Mittelpunkt zu stellen. Ich denke dabei an die Tankerun-
glücke der Jüngeren Vergangenheit. Erst vor kurzem ist wieder ein Tanker mit 250 000 t verung-
lückt. Wir dürfen uns an derartige Katastrophen nicht gewöhnen, sondern müssen um eine
Erhöhung der Sicherheit kämpfen. Wenn ich wie ein „Kostgänger‘“ zum Bundesfinanzminister
gehe und um eine Seefahrtsbeihilfe bitte, dann ist dies keine Subvention, sondern ein Sicherheits-
beitrag, um das menschliche Versagen auf den Schiffen als häufigste Unfallursache reduzieren
zu können. Wir müssen lernen, unsere Seeschiffahrt, unsere Häfen, unsere Werften wieder zu
fördern. Wir müssen uns dabei an den Ideen, die zur Gründung Ihrer Organisation beigetragen
haben, orientieren.
Wir werden einen Maßnahmenkatalog zur Begegnung von Katastrophen vorschlagen. Der
erste und wichtigste Teil ist ein nationaler: Wir müssen fragen, wie sieht es mit der Sicherheit
an unserer Küste aus, wenn nur noch 0,2% der Tanker unter deutscher Flagge fahren? Wir
müssen ernsthaft darüber nachdenken, ob wir uns das Ausflaggen noch leisten können. Ein
Tankerunfall in Nord- oder Ostsee würde für 10 bis 20 Jahre den Fremdenverkehr total zum
Erliegen bringen. Derart katastrophale Schäden stehen gegenüber einer um 20 bis 40 Mio. DM
erhöhten Schiffahrtsbeihilfe in keiner Relation. Diese Gesamtzusammenhänge müssen wir aber
sehen. Wir müssen gemeinsam mit Ihnen, Herr Kollege Voscherau, vieles korrigieren. Ich weiß,
daß wir uns seit langem in dieser Frage einig sind.
Mecklenburg-Vorpommern ist angesprochen worden. Viele meiner Kritiker meinen, das
Kürzel BMV steht in Bonn für „Bundesministerium Mecklenburg-Vorpommern“‘. Das ist nicht
richtig. Ich meine, ich setze mich mindestens für den gesamten norddeutschen Raum, für die
ganze Bundesrepublik, ein. Der Norden Deutschlands ist durch die Deutsche Einheit relativ
gestärkt worden, und deshalb sollten die fünf Bundesländer im Norden nicht nur Rückerat sein.
r
od