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1. ALLGEMEINE BESCHREIBUNG VON STURMFLUTEN
Die vorliegende Monographie über die wichtigsten Sturmfluten im westlichen und mittleren
Teil der südlichen Ostseeküste im Zeitraum von 1976 bis 2000 entstand als ein
Gemeinschaftsprojekt des Bundesamtes für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) in
Hamburg - Rostock und des Instituts für Meteorologie und Wasserwirtschaft (Instytut
Meteorologii i Gospodarki Wodnej - Oddziat Morski, Gdynia) auf der Grundlage eines
deutsch-polnischen Vertrags über die Wasserwirtschaft in den Grenzgewässern. Im Rahmen
dieses Vertrags kam es zu einer engen Zusammenarbeit beider Länder und der Bildung der
deutsch-polnischen Arbeitsgruppe W-1, die sich mit der Hydrologie und Hydrogeologie in
den deutsch-polnischen Grenzgewässern befasst. Dazu gehören der Austausch von
hydrologischen Daten, Informationen über Küstenschutzmaßnahmen, Zusammenarbeit der
Eisdienste und gemeinsame wissenschaftliche Studien.
Da die meteorologischen und hydrologischen Dienste in Deutschland getrennte Institutionen
sind, wurde die Monographie im wesentlichen von der meereskundlichen Abteilung des
IMGW erstellt.
1.1 Vorhandene wissenschaftliche Arbeiten
Der Katalog der Sturmfluten an der polnischen Küste im Zeitraum von 1951 bis 1975
(Majewski, Dziadziuszko und Wisniewska, 1983) nimmt in der ozeanographischen Literatur
Polens eine herausragende Stellung ein. Er enthält die an drei polnischen Pegeln
(Kotobrzeg, Ustka und Wladystawowo) gemessenen Wasserstandsdaten während der 75
wichtigsten Sturmfluten sowie Beschreibungen der atmosphärischen Bedingungen, z.B.
Luftdruck, Windgeschwindigkeit und -richtung, wobei die vorliegende Monographie eine
Fortsetzung der 1983 veröffentlichten Studie darstellt. Es existiert keine entsprechende
Arbeit über Sturmfluten an der deutschen Ostseeküste. Die einzige vergleichbare Studie ist
„Untersuchungen über Sturmflutwetterlagen an der deutschen Ostseeküste“ von Erich
Kohlmetz (1964), welche den Zeitraum von 1872 bis 1961 abdeckt.
Die polnische und deutsche Literatur zu diesem Thema enthält ferner eine Arbeit von
Wielbinska (1966), in der Beispiele für den dominierenden Einfluss auflandiger Winde auf die
Sturmflutentwicklung geschildert werden. Wisniewska (1978) befasst sich ebenfalls mit den
atmosphärischen Zirkulationsmustern, die bei Sturmfluten an der polnischen Küste auftraten.
Sowohl die polnische als auch die deutsche wissenschaftliche Literatur in der zweiten Hälfte
des 20. Jahrhunderts enthält eine Reihe von Studien über Sturmfluten, die entweder in
Zeitschriften oder in Tagungsbänden veröffentlicht oder intern an Instituten erstellt wurden.
Darunter sind die Arbeiten von Kostrzewa et al. (1983), Majewski (1989), Malicki und
Wielbinska (1992), Baerens et al. (1994), Hupfer et al. (1994), Neemann (1994),
Dziadziuszko und Malicki (1995), Sztobryn et al. (1995), MBLU (1996), Beckmann (1997),
Meinke (1998), Sztobryn (2000), Kowalska (2001), Stanistawczyk (2001, 2002), sowie
Hupfer et al. (2003). Viele dieser Arbeiten befassen sich mit Physik und Statistik, enthalten
jedoch keine detaillierten Beschreibungen einzelner Sturmfluten. Nur einzelne besondere
Sturmflutereignisse sind ausführlich dokumentiert worden. Dieser anhaltende
Informationsverlust ist erst gegen Ende des 20. Jahrhunderts merklich verringert worden,
und zwar nach Einführung der elektronischen Archivierung meteorologischer und
hydrologischer Aufzeichnungen. Die vorliegende Arbeit schließt eine Lücke in den
vorhandenen Beschreibungen von Ostsee-Sturmfluten.
1.2 Definition einer Sturmflut
Laut Definition (nach “Hydrological Aspects of Combined Effects of Storm Surges and Heavy
Rainfall on River Flow, WMO Nr. 704, Genf 1988) ist eine Sturmflut eine schnelle Änderung
des Meeresspiegels über den Wasserstand hinaus, der ohne die Einwirkung stürmischer
Winde zur selben Zeit und am selben Ort gemessen würde. Im „International Glossary of