2 Atmosphärenphysik
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Nordseezustand 2003
auch das früher beschriebene Klassifizierungsverfahren (vgl. Abschnitt2.2.1, S. 27),
welches zusätzlich die antizyklonale Krümmung der Isobaren in drei Jahreszeiten
konstatiert. Die Drängung der Isobaren im Herbst und Winter macht deutlich, dass in
diesen Jahreszeiten stärkere Winde vorherrschen als im Frühjahr-Sommer-Halbjahr.
Eine zur Bestimmung von Anomalien erforderliche Klimatologie der Luftdruck- oder
Windverteilung lag bei Redaktionsschluss nicht vor. Um dennoch einen Eindruck von
der zwischenjährigen Variabilität der Windverhältnisse zu geben, wird hier ein Ver
gleich des repräsentativen »Nordseewindes« für die Jahre 2002 und 2003 geboten.
Dieser Nordseewind ist nichts Anderes als der im Rahmen der Klassifizierung der täg
lichen Wetterlagen berechnete geostrophische Wind an der Position 5° E, 55° N, der
für das durch die Punkte 4-5-9-13-12-8 begrenzte Gebiet repräsentativ ist (vgl.
Abb. 2-3, S. 28).
Abb.2-7 zeigt saisonale Wahrscheinlichkeitsellipsen des täglichen vektoriellen Nord
seewindes für beide Jahre. Im Zentrum der Ellipsen und in Hauptachsenrichtung ist
die jeweilige Saison (1 = JFM = Winter, 2 = AMJ = Frühling, etc.) angegeben. Der
(nicht eingezeichnete) Vektor vom Ellipsenzentrum zum Ursprung (0,0) ist der aus
täglichen u- und v-Komponenten bestimmte mittlere Vektorwind. Die Größe der Ellip
sen wurde so gewählt, dass theoretisch 50 % der täglichen Winde aus dem Ellipsen
gebiet heraus zum Ursprung wehen. Die Länge der Ellipsenhalbachsen beträgt
1.1774 Standardabweichungen in Hauptachsenrichtung. Winde außerhalb der Ellip
sen sind durch Kreuze gekennzeichnet und lassen sich über die Farbe den Jahreszei
ten zuordnen. Für eine Beschreibung des statistischen Verfahrens wird auf Anhang B,
S. 191 verwiesen.
Das Jahr 2003 war gegenüber 2002 ein schwachwindiges Jahr, was insbesondere
den deutlich verschiedenen Windbedingungen im Winter und Herbst zuzuschreiben
ist. Wie die fast deckungsgleichen Ellipsen anzeigen, unterscheiden sich diese Jah
reszeiten im Berichtsjahr kaum voneinander, während im Vorjahreszeitraum erheblich
höhere Windstärken und saisonal verschiedene Vorzugsrichtungen auftraten. Die weit
geringere Windvariabilität im Jahr 2003 befindet sich im Einklang mit den oben be
schriebenen selbstähnlichen saisonalen Luftdruckverteilungen sowie den geringen
Schwankungen des NAO-Index auf flachem Niveau (vgl. Abschnitt2.1, S. 24).
Eine geeignete Möglichkeit, die zeitliche Entwicklung des Nordseewindes zu veran
schaulichen, bieten die in Abb. 2-8 präsentierten progressiven Vektordiagramme. Die
se entstehen durch sequentielle Vektoraddition der täglichen Windvektoren übers
Jahr, wobei der Endpunkt eines Windvektors am Tag i den Anfangspunkt für denjeni
gen am Folgetag i + 1 bildet. Dieses kumulative Verfahren entspricht einer sukzessi
ven Integration des Vektorwindes über die Zeit, so dass die Achsen in Abb. 2-8 tatsäch
lich die Dimension einer Länge haben. Die Kurven lassen sich deshalb als virtuelle
Trajektorie oder scheinbare Versetzung auffassen, wobei eine Einheit von 1 m/s x Tag
einer Distanz von 86.4 km entspricht. Die Zeitmarken 1, 2, 3, ..., O, N, D benennen
die Monatsanfänge (Januar, Februar, etc.) und sind oberhalb bzw. unterhalb der Kreu
ze angeordnet, welche diese Termine im Kurvenverlauf identifizieren. Der Abstand
zwischen zwei konsekutiven Zeitmarken liefert den monatlichen Vektorwind nach Di
vision durch die Monatslänge in Tagen. Für Januar 2003 ergibt sich z. B. ein Westwind
der Stärke 6.5 m/s bzw. eine scheinbare Versetzung von etwa 17 000 km.
Trotz der größeren Weglänge der Trajektorie im Jahr 2002 ergibt sich für beide Jahre
eine kaum verschiedene Nettoversetzung von etwa 100 000 km nach NE (2002) bzw.
ENE (2003). Entsprechend erhält man für die übers Jahr gemittelte Vektorwindge